- Titelseite von ULTIMAHORA, 22./23.
Februar 2003
- Seit Jahr und Tag wird der
Diskurs in der Öffentlichkeit, insbesondere in den Medien, geprägt
vom investigativen Aufdecken und Anprangern von Korruption,
Unverantwortlichkeit (Irresponsabilidad) und Wirtschaftskrise.
Die regierende Colorado-Partei ist seit 56 Jahren verantwortlich für
einen Sog nach unten. Paraguay gilt als das korrupteste Land
Südamerikas, ein Drittel der Bevölkerung lebt in Armut, die
Produktion hat im Jahr 2002 die Ziffern von 1972 erreicht.
- Würde die Wahl vom 27. April 2003 die
Wende bringen? In den Umfragen lagen die Colorados ("die
Roten" - hat aber mit Sozialismus nichts zu tun!) deutlich
vor den "Blauen" (Liberalen) und "Patria querida"
(Geliebtes Vaterland). Im Wahlkampf schien ganz Paraguay von den
Colorados (Lista 1) plakatiert. Der Regierungspartei wurde
vorgeworfen, Staatsgelder für die Wahlkampagne zu benutzen, ein
Vorwurf, der ins allgemeine Korruptions-Bild passt.
- Zu wählen waren von ca. 2,5 Mil.
Wahlberechtigten der Präsident (nur ein Wahlgang), 45 Senadores
(2. Kammer), 80 Deputados (1. Kammer), 17 Gobernadores sowie die
Gobernación-Juntas (Regionalparlamente).
1) Colorado-Partei (ANR), LISTE 1, durch rote (colorado) Parteifarbe
identifiziert, seit 56 Jahren an der Macht. Ungefähr 1 Mio.
eingeschriebene Mitglieder, darunter die meisten der 220.000
Beamten des Landes. Stärkste Partei, in der bereits Eltern
und Großeltern vieler Mitglieder arbeiteten. Obwohl nach
paraguayischem Verständnis ein Parteiwechsel ungefähr
einem Vaterlandsverrat gleichkäme, gibt es viele
Mitglieder, die in der abgeschirmten Wahlkabine
wahrscheinlich ihrer Parteiführung einen Denkzettel
verpassen werden. Ursache hierzu sind die wirtschaftliche
und politische Krise sowie die politischen Verirrungen, die
nach dem Umsturz im März 1999 begannen und bei denen es zu
außergerichtlichen Erschießungen und Folterungen kam.
- Der
Präsidentschaftskandidat dieser Partei, Nicanor Duarte
Frutos, gilt als Vertreter der Machthaber, die wie bisher
weiter regieren wollen. Die von Experten als notwendig
erachtete Privatisierung einiger Staatsbetriebe lehnte er
bereits ab. In seiner Liste für Senat und Abgeordnetenhaus
figurieren auf den besten Plätzen einige Politiker, die von
den Medien als stark korruptionsverdächtig bezeichnet
werden.
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- Infos
über die Partien:
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- 2)
Liberale authentische Partei (PLRA), identifiziert
durch blaue Parteifarbe. Zweitwichtigste, seit
mehr als 100 Jahren bestehende Partei, die in der ersten
Hälfte des vergangenen Jahrhunderts mehrere Regierungen
stellte. Ungefähr 700.000 eingeschriebene Mitglieder.
Nach anfänglicher Zusammenarbeit mit der Regierung nach
dem Umsturz im März 1999 übernahm die Partei wiederum
ihre Rolle als Oppositionspartei. Präsidentschaftskandidat
Julio César "Yoyito" Franco verweist auf
seine bisher von keinem Korruptionsgeruch belastete
Laufbahn als Bürgermeister der Stadt Fernando de la
Mora und als Vizepräsident der Nation. Wegen der
unzureichenden Aussichten versucht er Wahlbündnisse mit
anderen Parteien einzugehen, um mit einer gemeinsamen
Front nach 56 Jahren der Herrschaft der Colorados die
"Wende" herbeizuführen. Da mit anderen
Parteien noch keine Einigung bezüglich eines
gemeinsamen Präsidentschaftskandidaten zustande kam,
sind die Aussichten dieser Initiative noch unbestimmt.
Besprechungen über ein Wahlbündnis gibt es mit den
Parteien "Patria Querida" und UNACE.
3)
Patria Querida (Geliebtes Vaterland) LISTE 8, eine vor drei Jahren
durch den Eigentümer eines großen Finanzierungsbüros (in
Paraguay ein bankähnliches Unternehmen) gegründete dritte
Kraft. Nach Verkauf seiner Aktien entwickelte Initiator
Pedro Fadul
überraschend schnell diese neue Partei zu einer
Gruppierung, die bei Meinungsumfragen bereits in der Nähe
der Liberalen liegt und diese nach einigen Angaben bereits
überflügelt haben soll. Seine Vorschläge sind: Abwendung
von der allgegenwärtigen Korruption durch neue Personen in
der Regierungsverantwortung und Sammlung aller patriotischen
Kräfte, aus welcher Partei auch immer sie stammen mögen.
Die Partei scheint von starken Unternehmergruppen sowie von
der katholischen Kirche unterstützt zu werden. Einen
Verzicht auf seine Präsidentschaftskandidatur im Rahmen
eines Wahlbündnisses mit anderen Parteien lehnt Pedro Fadul
ab.
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- Internationale Beobachter bestätigten
eine ordnungsgemäße Vorbereitung und dann auch Durchführung
der Wahl. Wir waren angesichts des geringen Bildungstandes des
Wahlvolkes skeptisch.
Schon das Einschreibungsverfahren in das Wählerregister
(September 2002) war so kompliziert, dass viele Wahlwillige an
dieser Hürde scheiterten. Man muss da wählen, wo man sich
eingeschrieben hat. Wer jetzt in Asunción studiert, sich aber
vor einem halben Jahr in Filadelfia hat einschreiben lassen,
musste zur Ausübung seines Wahlrechtes 500 km fahren.
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- Viel wurde über Stimmenkauf
gesprochen.
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