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Report von meinem Leben in Paraguay am Lehrerbildungsseminar Filadelfia
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Bericht 2
Filadelfia, 20.03.2002
Bericht Nr.2 aus der Chaco-Metropole Filadelfia,
Seid gegrüßt ihr Lieben!
Nun bin ich schon fast 6 Wochen hier und es Zeit mich mal wieder zu melden.
Mittlerweile hat sich hier einiges getan.
Ein Auto habe ich zwar immer noch nicht, aber ich bin zuversichtlich, dass es in den nächsten Tagen klappt. Ein netter deutscher Kollege hat mir seinen kleinen Zweitwagen geliehen und für die Unterrichtsbesuche kann ich den Seminar eigenen Wagen benutzen, so dass ich eingeschränkt mobil bin.
Im Kampf mit Spinnen bin ich mittlerweile so routiniert, dass ich ihn gar nicht mehr erwähnenswert finde. Ich habe eine geniale Methode entwickelt: ich benutze den Abflusssauger als Distanzwaffe und zermalme die Ungetüme damit schon fast mit einer gewissen Genugtuung.
Jetzt kommt die gute Nachricht: Es ist nicht zu glauben, aber mein Gepäck kam tatsächlich am Freitag, den 22. März hier an. Entgegen des allgemeines Urteils, dass Paraguay der Inbegriff eines Schlamperladens und der Korruption ist, ging es ab dem Zeitpunkt, als es in Asunción war, sehr schnell und zuverlässig. Die Unterstützung der Deutschen Botschaft war dabei sicher ausschlaggebend.
Beim Auspacken einiger seit einem Vierteljahr schmerzlich entbehrter Gegenstände wurde mir ganz warm ums Herz. Es war übrigens sehr erstaunlich, worüber ich mich besonders gefreut habe: einige Musik-CDs, mein Schreibtischstuhl, mein Brieföffner- ein Erbstück von meinem Vater, einige Bilder. Vieles dagegen empfand ich mittlerweile als ziemlich überflüssig, vor allem die für hiesige Verhältnisse viel zu warmen Kleider.
Die Hitze hier ist immer noch belastend. Es war in den letzten Tagen fast 40 Grad mit hoher Luftfeuchtigkeit, was dazu führt, dass man sich wenn immer möglich, in klimatisierten Räumen aufhält. Meine sportliche Betätigung liegt etwas im Argen.
Nun ein bisschen mehr zu meiner Arbeit.
Bei den Unterrichtsbesuchen habe ich immer das Gefühl, in längst vergangene Zeiten zu kommen. Die Dorfschulen sind meistens sehr klein und Klassenstufen zum übergreifend. Etliche Schulen bestehen aus zwei Kollege die 6 Jahrgangsstufen in zwei Klassen unterrichten. Der Gong ist in der Regel eine Handglocke, die ein Lehrer (hier im Seminar eine Studentin) läutet. Die Kinder sind unglaublich brav und wissbegierig. Darüber sind sie sehr geduldig, was sie auch sein müssen, denn an Methodenvielfalt der Junglehrer mangelt es häufig noch . Hier habe ich ein großes Betätigungsfeld.
Die Kinder wachsen in diesem ländlichen Umfeld noch sehr unbeschwert auf, die meisten ziehen in den Pausen mit Wonne ihre Schuhe aus und spielen barfuß. Gestern entdeckten dabei einige Kinder eine kleinere Schlange auf dem Schulhof und riefen die beiden Lehrerinnen. Die holten dann auch gleich ihr Schlangenbuch, um festzustellen, dass es sich um eine giftige handelte. Sogleich holte ein Viertklässler einen Spaten und zerstückelte die Schlange beherzt. Wie gut, dass es Männer gibt, und wenn sie noch so klein sind. Bei meinem Haus war glücklicherweise bisher noch keine Schlange, die soll auch bitte warten, bis Michael kommt.
Die Arbeit mit den Studenten macht mir auch sehr viel Spaß, es ist alles so familiär und entspannt. Mein Weg zum Seminar beträgt 50 Meter, theoretisch könnte ich während einer längeren Gruppenarbeitsphase zum 2. Frühstück nach Hause gehen. Was mir etwas fehlt, sind die Kollegen. Im Prinzip sind wir nur zu Viert. Die meisten Kollegen sind abgeordnete Lehrer, die nur stundenweise bei uns arbeiten. Dennoch habe ich einige soziale Kontakte, neben den deutschen Lehrern habe ich auch schon etliche nette Leute kennen gelernt und langweilen tue ich mich keine Sekunde.
Die Mennoniten sind schon ein besonderer Menschenschlag: sehr zuverlässig und wirklich ungewöhnlich hilfsbereit. Aus ihrer Geschichte heraus wird dem Neuankömmling nach Kräften geholfen, was ich selbst immer wieder positiv erfahren konnte.
Die Wirtschaftskraft der Kolonien wird im ganzen Land gleichermaßen bewundert und beneidet
Ihrem Selbstbild, strebsam, gottesfürchtig und gut zu sein, entsprechen wahrscheinlich nicht alle Mennoniten jederzeit, denn sie sind eben auch nur Menschen sind und erliegen damit auch menschlichen Schwächen .
So, das war´s für heute.
Morgen fahren alle deutschen Lehrer nach Asunción zur ersten Fortbildung. Auf dem Rückweg werden wir meinen so lange entbehrten Michael mitbringen. Er wird während der Osterferien hier sein. Darauf freue ich mich sehr.
Ich freue mich auch über Antwort von euch
Liebe Grüße
Heide
Heides 3. Bericht: 07. Oktober 2002
Chilereise 28.09
–06.10.02
Seit gestern sind wir aus Chile zurück. Wir, das sind alle Studenten des
Seminars, mit vier Dozenten und Michael.
Die einwöchige Fahrt war eine Begegnung mit dem Lehrerbildungsinstitut (LBI) in
Santiago de Chile. Dort werden Grundschullehrer für die zahlreichen Deutschen
Schulen in Chile ausgebildet.
Chile ist ein wunderschönes Land: Dort gibt es landschaftlich alles: Berge,
Meer, Wüste und ewiges Eis. Wir haben natürlich nur einen winzigen Ausschnitt
gesehen: einen Teil der Anden, Santiago und Valparaiso am Meer.
Die Anden sind gigantisch, ohne Gebirgsvorland ragen sie steil in die Höhe. Die
Vegetation ist in diesem Teil der Anden sehr karg, dafür gibt es jede Menge
Skitourismus.
Die Fahrt selbst war allerdings sehr nervig: aus Kostengründen fuhren mit dem
Bus quer durch Argentinien, insgesamt 45 Stunden.
Das alles war schon anstrengend genug, wäre aber ohne die Schikanen der
Argentinier zu ertragen gewesen. Etwa 20 km vor der chilenischen Grenze gerieten
wir in eine Polizeikontrolle. Der Benzintank unseres Busses war nicht mehr
original und größer als normal: Er fasste 850 L Diesel. Die Gendarmen hatten
nun den Verdacht, unsere Busfahrer könnten in dem Tank Rauschgift schmuggeln,
sie wollten den Tank kontrollieren.
So weit, so gut: Was sich aber in den folgenden vier Stunden abspielte, war ein
Schauspiel für sich. Zuerst stocherten einige Uniformierte mit langen Drähten
im Tank herum, klopften, schüttelten – ohne Ergebnis. Sie kündigten an, es käme
Verstärkung, die eine Spezialkamera mitbringen würde. Es kam Verstärkung ohne
Kamera. Schließlich kamen die Jungs auf die Idee, den vollen Tank (850 L
!!!!!!!) auszupumpen und zwar in alte schmutzige Fässer. Und das mit zu langen,
zu dünnen Schläuchen ohne genügend Gefälle. Auch der größte Depp in Physik
konnte sehen, dass das so nicht funktionieren konnte.
Mittlerweile war alles so peinlich, dass die Herren uns ohne Gesichtsverlust
kaum mehr ziehen lassen konnten. Der Bus sollte dann an einer Tankstelle
ausgepumpt werden. Auch das funktionierte nicht. So durften wir schließlich
nach 3 geschlagenen Stunden weiter – dachten wir. Doch keine 10 Kilometer
weiter war eine Militärstation. Wir mussten mit dem Bus in die Kaserne, dort
hatte der Kommandierende (inzwischen ein Oberleutnant) mittlerweile eine
elektrische Pumpe organisiert.
Wir bekamen Zuschau- und Fotografierverbot. Und jetzt ging es weiter mit dem
Dilettieren: der Schlauch war dieses Mal zu dick, die verzweifelten Versuche ein
Verbindungsstück zu „schnitzen“ scheiterten. Aber jeder durfte mal mit
schmutzigen Gerät in dem Tank rühren. (Was später eine Verstopfung der
Benzinzufuhr verursachte.)
Es war wie früher in der DDR, nur eben viel schlimmer, weil so schrecklich stümperhaft.
Beeindruckend war die Ruhe, mit der die Busfahrer diese Schikanen über sich
ergehen ließen. Die Argentinier sind wegen ihres unfreundlichen und arroganten
Verhaltens hier in Südamerika berüchtigt. Paraguayer gelten dagegen eher als
die Underdogs, mit denen man wohl besonders frech umspringen kann.
Ich war wütend und empört, doch war ich weder die Reiseleiterin noch kann ich
genügend Spanisch, um mich richtig mit den Leuten anzulegen. Schließlich überzeugte
ich den Kollegen, der die Reiseleitung hatte, aber meinen Diplomatenpass ins
Spiel zu bringen und zu betonen, dass wir eine dringende Konferenz mit anderen
Diplomaten hätten und eine weitere Verzögerung Folge habe. Das war natürlich
eine blöde Drohung, aber irgendwas musste ja geschehen. Keine Ahnung , ob wir
damit was erreichten oder ob die Kerle froh waren, auf diese Weise der
Peinlichkeit ein Ende setzen zu können, jedenfalls ließen sie uns fahren.
Nachdem wir noch 2 Stunden an der chilenischen Grenze alle Koffer durchleuchten
lassen mussten (Chile schützt sich vor der Einfuhr von Lebensmitteln, weil es
„fruchtfliegenfrei“ ist – also kauft chilenische Kiwis und Grannies etc,
sie sind nicht/wenig gespritzt!) kamen wir schließlich mit 6 Stunden Verspätung
in Santiago an.
Dort bekamen wir erst mal ein fürstliches Essen im Deutschen Club, ab da ging
es uns richtig gut.
Santiago ist eine sehr moderne Großstadt mit allen Vor -und Nachteilen, die das
hat: schicken Geschäften, gutes Kulturangebot, aber auch Verkehrsstress und
Smog, weil die Stadt eingekesselt ist von den Anden und der Küstenkordellire.
Uns zeigte sich die Stadt allerdings von ihrer besten Seite, wir erlebten nur
klaren Himmel und vergleichsweise gute Luft.
Es ist erstaunlich, wie europäisch hier alles wirkt: vor allem auch die
Vegetation. Beim Anblick und dem Geruch von Flieder ging mir das Herz auf; die
Kastanien und die Krischen blühten gerade – traumhaft. Im Gegensatz zu Asunción
ist Santiago ganz „erste Welt“, jedenfalls hat man die Armut in den
Vierteln, in denen wir waren, nicht gesehen (was nicht bedeutet, dass es sie
nicht gibt).
Unser Programm war dicht gedrängt. Hospitationen am LBI und in der Grundschule
der Deutschen Schule, Konzert, Theater, Einladungen bei Kollegen, Fahrt nach
Valparaiso und Vina del Mar ans Meer, Shopping, Stadtbesichtigung , edel
speisen, Wanderung in den Anden.
Außerdem führten wir unser Singspiel „Armer kleiner Tanzbär“ für die
Grundschüler der Deutschen Schule zweimal hintereinander auf. Es war sehr
interessant zu sehen, wie unterschiedlich die verwöhnten Stadtkinder der
Oberschicht und die Dorf-Mennoniten-Kinder auf das Spiel reagierten. Während
unsere Kleinen hier mit offenem Mund und großen Augen dem Geschehen folgten,
zappelten und hampelten die kleinen „Edelchilenen“ und deutschen
Diplomatenkinder unruhig und nervig hin und her. Allerdings ließen sie sich
doch während der Aufführung immer mehr von dem Geschehen auf der Bühne
anziehen. Unsere Studenten waren nach der ersten Aufführung über die
undisziplinierten Kinder schon ordentlich entsetzt und fragten mich, ob die
deutschen Kinder denn auch so seien. Leider konnte ich diese Frage nicht
verneinen. (Mir fielen mit Schrecken Szenen aus dem Freiburger Stadttheater während
Aufführungen der Weihnachtsmärchen ein).
So hat eben vieles seine guten und schlechten Seiten im Leben.
Für unsere Studenten war diese Fahrt etwas ganz Besonderes. Viele von ihnen
erlebten zum ersten Mal 1. Schnee, 2. Meer, 3. Ausland, 4. Großstadt.
Es war faszinierend, wie sie sich darüber freuen konnten. „Der Schnee war das
tollste der ganzen Reise“, so die durchgängige Meinung.
Michael und mich hat das Land begeistert und wir werden in unseren Sommerferien
eine etwa fünfwöchige Reise durch Chile machen, worauf wir uns sehr freuen.
Heide, 07.10.2002
© 2002 Heide Walb last update 12.10.2002